Inklusion im Sport: Bundesweit einzigartige Ausbildung gestartet

Stadtsportbund Aachen e.V. und Studierende nach Pilotphase begeistert - Wissenschaftliche Studie gibt neue Impulse für Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung

Sport fördert den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl! Doch bei der Debatte um Inklusion klaffen Anspruch und Wirklichkeit oft auseinander. Der Stadtsportbund Aachen e.V. bietet gemeinsam mit der Katholischen Hochschule NRW ab sofort eine bundesweit bislang einmalige und an der Praxis orientierte Ausbildung für sportlich Interessierte und Engagierte an.

Seit 2017 setzt der Stadtsportbund (SSB) Aachen e.V. sich ganz besonders für das Thema Inklusion im Sport ein. „Denn wer Inklusion im Sport wirklich will, findet Wege, diese auch umzusetzen“, erklärt Sina Eghbalpour, Sport-Inklusionsmanagerin beim SSB Aachen. Das Kooperationsprojekt des SSB Aachen und der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Aachen, gilt dabei als ein Meilenstein für den Inklusionssport in Deutschland.

Die Resonanz auf das neue Fortbildungsangebot im inklusiven Sport speziell für Studierende sprengt allerdings alle Erwartungen. „Gemeinsam kommen wir schneller ans Ziel“, freut sich Björn Jansen, Vorsitzender des SSB Aachen. „Wir haben zwar schon viel geschafft, aber noch viel vor, bis wir den Begriff Inklusion in unserer Gesellschaft nicht mehr benötigen. Viele reden über die Thematik, aber nur wenige Handeln praxisnah und lösungsorientiert; das wollten wir ändern. Wenn es im Lizenzsystem des organisierten Sports keine Übungsleiter-Ausbildung mit dem Schwerpunkt Inklusion gibt, dann konzipieren wir als Stadtsportbund eben selbst eine. Und wo wäre diese besser angedockt als im Studiengang Soziale Arbeit in Aachen.“

Die zukünftigen Sozialarbeitenden sind optimale Multiplikator*innen und können neue inklusive Sportangebote initiieren und anleiten. Für die Studierenden gelten zwei Besonderheiten: sowohl der Erwerb der Übungsleiter-C Lizenz (ÜL-C) mit den inklusionsspezifischen Inhalten als auch die Creditpoints im Rahmen der Studienleistung an der Hochschule. Professorin Dr. Ute Antonia Lammel, Modulbeauftragte an der Katholischen Hochschule, Abteilung Aachen, weiß: „Sportangebote können neben der klassischen Vereinsarbeit auch optimal als Medium in den Praxisfeldern der Sozialen Arbeit genutzt werden.“

Praxis statt langweiliger Theorie

Schwerpunkt der Ausbildung sind keine theoretischen oder medizinischen Inhalte über Beeinträchtigungen, sondern die Sicht auf Bedürfnisse und praktisches Erleben. Die Studierenden versetzten sich z. B. mit Sportrollstühlen oder Simulationsbrillen in die Lage von Sporttreibenden mit Beeinträchtigung, erlernen und erleben sportspezifische Inhalte aus dem Behinderten- und Rehabilitationssport wie beispielsweise mit Klingelbällen „am eigenen Leib“, und hinterfragen, wie Bewegungsprogramme inklusiv angepasst werden können.

Ausbildung und Handreichung bieten Rundumwissen

Als Basiselemente einer ÜL-C Ausbildung werden auch Themen wie Prävention von sexualisierter Gewalt im Sport oder Recht und Versicherungsfragen im inklusiven Setting aufgegriffen. Hintergrund des Ausbildungskonzepts ist die bundesweit einmalige, dreijährige wissenschaftliche Studie des Stadtsportbundes Aachen (Inklusion im Sport – gemeinsam stark für Aachen), in der eine partizipative Bedarfserhebung bei den Aachener Sportvereinen, Menschen mit Beeinträchtigung sowie den Vertretenden von Institutionen der Teilhabeförderung (Wohnheime, Förderschulen, Werkstätten etc.) und Politik durchgeführt wurde. Auf dieser Grundlage wurde der Wegweiser „Sprung nach vorne! Wegweiser für Inklusion im Vereinssport“ als Handreichung veröffentlicht, die auch online für alle Interessierte (ebenfalls in Leichter Sprache) zugänglich ist.

„Der Wegweiser ist ein großer Schritt für den Aachener Vereinssport. Denn wir wollten vor allem den tatsächlichen Bedarf der Menschen mit Beeinträchtigung und unserer Sportvereine ermitteln und uns nicht auf Hypothesen stützen“, resümiert Nadine Frey, Geschäftsführerin des SSB Aachen, den wissenschaftlichen Hintergrund. „Unterstützung erhielten wir dabei auch von Prof. Dr. Thomas Abel von der Deutschen Sporthochschule Köln.“

Studie sieht Veränderungsbedarfe im Qualifizierungsbereich

„Unsere wissenschaftliche Untersuchung bestätigt, dass Qualifizierung ein bedeutendes Thema für Vereine und Menschen mit Beeinträchtigung ist. 65,4 % der Übungsleitungen und sogar 86,2 % der Vereinsvorsitzenden sind der Meinung, dass eine entsprechende Qualifizierung ein wichtiger Faktor für das Gelingen von Inklusion im Sport ist“, ergänzt Studienleiterin Sina Eghbalpour. „Während der Auswertung unserer Forschungsergebnisse war direkt klar: Wir müssen uns im Qualifizierungsbereich stärker aufstellen und aktiver werden.“ Als langfristiges Ziel möchte der Stadtsportbund Aachen sich weiterhin auf Landes- und Bundesebene dafür einsetzen, dass Inklusion als Modul in jeder ÜL-C Ausbildung aufgenommen wird. Die ÜL-C Ausbildung soll künftig nicht nur Studierenden, sondern allen an einer sinnvollen Tätigkeit im Sportverein Interessierten offenstehen!

„Inklusion ist in unserem Verständnis eine Frage der Haltung und dabei ist die wichtigste Ressource der Wille. Es ist nicht immer alles möglich, aber auch niemals nichts. Die Studierenden mit der ÜL-C Inklusions-Lizenz sind für die Sportlandschaft in Aachen ein guter Startschuss, den Weg weiterzugehen,“ weiß SSB Aachen Geschäftsführerin Nadine Frey.

Der Wegweiser ist >>im Handlungsfeld Inklusion im und durch Sport<< verfügbar.